Menschenrechtler – Philosoph – Schriftsteller

Wer sich über das Leben und das Schaffen des russischen Schriftstellers mit ukrainischen Wurzeln, Wladimir Korolenko informieren will, wird mehrere Veröffentlichungen nützen müssen. Selbst neuere Nachschlagewerke geben nur unzureichend oder sogar falsch Auskunft über ihn. Zumeist wird der Eindruck erweckt, er gehörte zur Richtung der Volkstümlerbewegung, unter deren Einfluss er jedoch nur in seiner Jugendzeit stand. Die Einleitung von Rosa Luxemburg zu dem von ihr übersetzten teil des autobiografischen Werkes von W. Korolenko „Die Geschichte meines Zeitgenossen“ ist schon durch ihre persönliche Note beachtenswert. Aber auch sie bedarf durch die frühe Ermordung von Rosa Luxemburg weiterer Ergänzung. Hier ist von Erhard Hexelschneider „Rosa Luxemburg und die Künste“, Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen zu empfehlen. Die biografie von A. Dermann „W. G. Korolenkos Leben“, die 1947 vom Verlag der Sowjetischen Militäradministration (SWA) herausgegeben wurde, ist trotz einiger Übersetzungsschwächen recht informativ, enthält aber auch keinen Hinweis auf Korolenkos Briefe an Anatoli Lunatscharski von 1920, in denen er erklärt, warum die Revolution von 1917 zu scheitern droht, wenn die Bolschewiki ihre Politik nicht ändern.

Wladimir Korolenko war zu seiner Zeit in Russland nicht nur als Schriftsteller, Journalist und Redakteur sehr bekannt, sondern galt geradezu als moralische „Institution“, weshalb er von den Mächtigen schwer angreifbar war.

Er gehörte in die Reihe der Schriftsteller und Zeitgenossen Leo Tolstoi, Gleb Uspenski, Maxim Gorki, W. Garschin, Anton Tschechow und anderer, die er in manchem sogar überragt. Wenn er später weniger erwähnt wurde und vielfach in Vergessenheit geriet, dann gab es dafür politische Gründe. Nicht unbegründet wird er auch erster russischer Menschenrechtler genannt. Seine Briefe an Anatoli Lunatscharski wurden in der Sowjetunion erst 1988 veröffentlicht, in Paris bereits 1922.

Korolenko kämpfte für die Abschaffung der Todesstrafe und rettete durch mutiges Handeln zahlreiche Menschenleben. Er war ein Visionär und kein Gegner revolutionärer Veränderungen, lehnte aber einen „flachen Marxismus“, Maximalismus und Gewalt zur Errichtung des Kommunismus in Russland ohne die erforderlichen objektiven und subjektiven Bedingungen ab.

Korolenko verteidigte ethnische Minderheiten, kämpfte gegen Antisemitismus und Pogrome.

Nicht nur mit der Feder und mit Aufrufen beteiligte er sich am Kampf gegen die Hungersnot, sondern ging selbst in entlegendste Dörfer um die Volksspeisung zu organisieren. Als Redakteur förderte er die Entwicklung der russischen Literatur und schriftstellerischer talente. Maxim Gorki war einer seiner „Schüler“.

„Von der Woge der nahenden revolutionären Sturmflut mitgerissen, verstummt er als Dichter am Ende der neunziger Jahre immer mehr, um nur noch als Vorkämpfer der Freiheit, als geistiger Mittelpunkt der oppositionellen Bewegung der russischen Intelligenz seine Klinge blitzen zu lassen“, schreibt Rosa Luxemburg in ihrer Einleitung zu seinem autobiografischen Werk.

Als er 1921 starb, nahmen in Poltawa die ganze Bevölkerung und Vertreter der Öffentlichkeit an seinem Sarg von ihm schweigend Abschied. Sein Haus und Museum bewahrt auch heute sein Andenken.

Helmut Hauck (Herausgeber der Neuauflage „Vladimir Korolenko und sein Werk“)